30.03.13

mutabor - DAS GLEICHMAß DER UNRUHE

DAS GLEICHMAß DER UNRUHE

Julia Antonia sitzt mit verbundenen Augen am Tisch. Gegenüber sitzt eine ihr
unbekannte Person. Nach einem Moment konzentrierten "Betrachtens" beginnt
Julia Antonia zu zeichnen.
"Blind-Portraits", die später in Holzkörper geritzt werden, nennt die
Künstlerin den ersten Arbeitsschritt für ihre Installationen. Nicht alle
Ritzungen sind Portraits realer Personen. Es sind auch Wesenszüge von im
Unterbewußten gespeicherten Personen und inneren Zuständen.
Die Rauminstallationen der jungen Berliner Künstlerin sind Meditationen. Sie

sind innerer Monolog und kreative Konzentration auf den Moment der Stille
und des Innehaltens in Raum und Zeit. Ein bewußtes Sichsperren gegen
ästhetische Verharmlosung, globale Verallgemeinerung und temporäre
Beschleunigung. Die entstehenden Portraits sind nicht Gesicht oder Antlitz.
Sie sind kreatürliche Physiognomie. Sind Mensch und Wesen. Die Künstlerin
schafft ihre "MenschenWesen". Das Darstellen des Nichtsichtbaren ist für sie
der Widerspruch, bei dem im Schaffensprozess die Grenzen zwischen Bewußtem
und Unbewußtem fließend werden.
Je nach Größe, architektonischer Beschaffenheit und Atmosphäre eines
konkreten Raumes gruppiert Julia Antonia Holztafeln in einer bestimmten
Konstellation (MenschenWesen im Quadrat, MenschenWesen am Kreuz,
MenschenWesen am Fenster...) Sie bevölkert Räume, erschafft eine imaginäre
Population subjektiver, zugleich kollektiver und trotzdem in hohem Maße
isolierter Befindlichkeiten.
Die Holzschnittechnik wurde von ihr ausgewählt, um in der radikalen
Reduktion der Linien die Konzentration von Wesentlichem noch zu verstärken.
Ein Relief von eingekerbten Wesenszügen. Die Deformation von geglätteter
Oberfläche. Linien, die wie eine Signatur wirken.
Die Farbe der Holztafeln folgt nicht ästhetischen Überlegungen, die
jeweilige Farbe ist der Farbraum, in den sie ihre Blindzeichnungen ritzt.
Der Farbraum folgt einem inneren Impuls, ist Stunden-,Tages-,Zustandsfarbe.
Die Farbe eines Augenblicks.
Das Blindzeichnen kann als Performance Bestandteil einer Rauminstallation
sein. Es verdeutlicht den inneren Monolog und zugleich meditativen Dialog
zwischen Künstlerin und portraitierter Person. Ist Sinnbild für das De Ja
Vue Erlebnis mit dem Verdrängten, dem Verborgenen, dem Verdeckten.
In der Rauminstallation kehrt sich die Intention des Schaffensprozesses um.
Das Auge des Betrachters blickt nun auf das durch die Künstlerin
"dargestellte Innere" der eigenen Person. Es sind geronnene Momente
ungeschminkter Begegnung mit sich selbst.
Jede Rauminstallation ist Zwischenschritt eines "work in progress" und
unterliegt dem ständigen Fluß von Veränderung, Erweiterung und Variation.
Die Rauminstallationen der Berliner Künstlerin Julia Antonia sind
Konfrontation mit und Herausforderung an das eigene ich. Es sind in den Raum
gestellte Spiegel, die zum Hinschauen zwingen und zur Auseinandersetzung
verführen.




(Text von chetan akhil)

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